Die vier Ebenen der Angst

Von Tanja Golob
Die vier Ebenen der Angst

Inhaltsverzeichnis

Angst kann sich auf vielfältige Weise zeigen. Ganzheitlich betrachtet besteht Angst aus vier Ebenen, die sich gegenseitig beeinflussen:

  • Gedanken
  • Gefühle
  • Körperliche Reaktionen
  • Verhalten

Wie man auf der Abbildung unten sehen kann, sind alle vier Ebenen eng miteinander verbunden. Der Nachteil daran ist, dass wenn eine Ebene stärker ausgeprägt ist, diese sich auf die anderen Ebenen auswirken kann. Allerdings wirkt sich im Umkehrschluss eine Verbesserung einer der vier Ebenen ebenfalls positiv auf die anderen Ebenen aus.

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Doch was bedeuten die vier verschiedenen Ebenen?

Ebene 1 - Gedanken

Diese Ebene umfasst alles, was sich „nur“ im Kopf abspielt, wie Befürchtungen, Sorgen, Fantasien. Beispielhafte Gedanken dafür sind:

„Es wird gleich etwas schlimmes passieren“, „Ich falle gleich in Ohnmacht“, „Ich verliere gleich die Kontrolle“, „Ich muss schnell raus hier“, „Irgendwas stimmt nicht mit mir“, „Ich kann nicht mehr“, „Ich werde verrückt“




Ebene 2 - Gefühle

Man sollte meinen, dass auf der Gefühlsebene nur das Gefühl Angst gemeint ist, welches sich in Form von starker Angst, Panik und Todesangst zeigt. Tatsächlich ist es auch so, dass das Gefühl Angst dominiert. Aber es treten auch andere Emotionen auf, die sich in Form anderer Gefühle zeigen können, sozusagen als maskierte Angst.

Beispiele für andere Gefühlsregungen sind:

  • Hilflosigkeit
  • Hoffnungslosigkeit
  • Nervosität
  • Dünnhäutigkeit
  • Überforderungsgefühl
  • Neigung zum Weinen
  • Traurigkeit
  • Verzweiflung
  • Gefühl von Unwirklichkeit (Derealisation)

Ebene 3 - Körperliche Reaktionen

Auf körperlicher Ebene sind die Symptome sicher jedem bekannt. Der Körper schaltet auf Alarmfunktion und bereitet sich durch Aktivierung des Körpers auf eine „Kampf-oder-Flucht-Reaktion vor. Wir sind sozusagen im Ausnahmezustand höchster körperlicher Aktivität.

Wie anfangs schon erwähnt greifen die 4 Ebenen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig. Die Symptome der körperlichen Ebene werden meist durch die anderen Ebenen ausgelöst. Zum Beispiel durch körperliche Beschwerden, die fehlinterpretiert werden oder durch katastrophisierende Gedanken.

Körperliche Symptome sind:

  • Herzrasen
  • Zittern
  • Schwitzen oder Kälteschauer
  • Beschleunigter Atem
  • Übelkeit
  • Schwindel
  • Engegefühl in der Brust
  • Sehstörungen
  • Durchfall
  • Starker Harndrang
  • Kloßgefühl im Hals
  • Taubheitsgefühle oder Kribbelgefühle
  • Kopfschmerzen
  • Schlaflosigkeit
  • Benommenheit

Ebene 4 - Verhalten

Betroffene die an Angst leiden, merken sehr schnell an sich selber, dass sie ihr Verhalten verändert haben. Man kann sogar sagen, ihre ganze Persönlichkeit hat sich verändert und der Angst angepasst. Aus lauter Angst vor Situationen, die Angstsymptome auslösen könnten, vermeiden sie es überhaupt erst in angstauslösende Situationen zu geraten. Dieses Vermeidungsverhalten sorgt zwar kurzfristig für Erleichterung, langfristig gesehen verstärkt es allerdings die Symptomatik und verschlimmert das Problem.

Typische Beispiele dafür sind:

  • Antriebslosigkeit
  • Absagen von Terminen
  • Interessenverlust
  • Aufschiebeverhalten
  • Übertriebenes Kontrollieren von Dingen
  • Verspannte Muskulatur (Zähneknirschen, Nackenverspannungen), ausgelöst durch ständiges Grübeln
  • Nervöses Umherlaufen
  • Konzentrationsstörungen (ebenfalls ausgelöst durch zu viel Grübeln)





Man kann an dem Angstmodell sehr gut erkennen, wie lebenseinschneidend Angst sein kann, wie viele Gesichter sie hat und wie sich durch Angst der Lebensradius immer weiter verkleinern kann. Der Angst die Stirn zu bieten und ihr somit die Macht zu nehmen, ist deswegen sehr wichtig. Das Gute ist, dass, wenn man sich der Angst mutig entgegenstellt, dies sofort Auswirkungen auf eine der 4 Ebenen hat und so Stück für Stück Lebensqualität zurückgewonnen werden kann.

Zum Abschluss dieses Artikels wäre es mir wichtig, das Sicherheitsverhalten zu erwähnen. Ich habe schon von vielen Angstpatienten gehört, dass Sie versuchen, an ihrer Angst zu arbeiten, aber dennoch keine Besserung eintritt. Beim Hinterfragen wird sehr schnell klar, dass sie ihrer Angst nur „halb“ begegnen, indem sie sogenanntes Sicherheitsverhalten anwenden. Das bedeutet, sie treffen Vorkehrungen dafür, dass in bestimmten Situationen erst gar keine Angst auftreten kann. Sie sichern sich sozusagen vorneweg ab. Diese Verhaltensweisen und Vorkehrungen führen leider nicht zu dem gewünschten Erfolg, sondern im Gegenteil, sie halten die Angst aufrecht.

Beispiele Für Sicherheitsverhalten

  • Begleitperson: Zum Beispiel eine Person, die einen zum Arzt begleitet, mit einem Bus fährt, Gespräche für einen führt oder die ständig da sein muss, damit man sich sicher fühlt, und vieles mehr.
  • Alkohol/ Medikamente/ Drogen: Um die Angst in bestimmten Situationen besser auszuhalten, wird anfangs vor allem Alkohol dazu benutzt, um die Angst zu dämpfen. Leider führt dies recht schnell zu einer Abhängigkeit und dem Gefühl, Angst nicht mehr ohne bestimmte Substanzen bewältigen zu können. Nicht umsonst treten Angsterkrankungen sehr oft zusammen mit einer Alkoholabhängigkeit sowie Missbrauch von Medikamenten oder Drogen auf.
  • Rituale: In Form von Zwängen, z.B. waschen, putzen, kontrollieren
  • Hilfsmittel: Viele Betroffene führen permanent Hilfsmittel mit sich. Dies kann ein Getränk sein, Sicherheitshandschuhe, eine Notfallnummer, Nahrung, Desinfektionsmittel, Beruhigungsmittel, ein Schlüsselanhänger, und vieles mehr.
  • Unauffälliges Verhalten: Diese Verhaltensweise betrifft meist Menschen mit sozialer Phobie. Sie wollen unter keinen Umständen (negativ) auffallen, setzen sich zum Beispiel extra in einem Raum ganz nach hinten, vermeiden es zu sprechen oder angesprochen zu werden, jede Interaktion oder Zusammenkunft mit anderen wird so gut es geht vermieden.





Körper & Geist