Wenn Krankheit zum Schutz wird - Der sekundäre Krankheitsgewinn

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In schwierigen Zeiten oder in Phasen der Erkrankung suchen wir oft nach Unterstützung, Verständnis und Fürsorge von anderen und das ist ganz natürlich. Doch was passiert, wenn diese Zuwendung, die wir in der Krankheit erfahren, ein so großes Gewicht bekommt, dass sie fast zu einem „heimlichen Gewinn“ wird?
In der Psychologie sprechen wir dann von einem Phänomen, das als „sekundärer Krankheitsgewinn“ bezeichnet wird.
Was ist sekundärer Krankheitsgewinn?
Sekundärer Krankheitsgewinn bezeichnet die unbewussten Vorteile, die jemand durch das Kranksein oder das Aufrechterhalten von Krankheitssymptomen erhält. Anders als der „primäre Krankheitsgewinn“, bei dem die Krankheit zur Linderung physischer oder psychischer Schmerzen führt, geht es beim sekundären Gewinn um die positiven sozialen oder psychologischen Effekte.
Es kann zum Beispiel sein, dass sich durch die Krankheit eine tief empfundene Zuwendung und Unterstützung durch das Umfeld einstellt. Oder dass der Erkrankte von bestimmten Pflichten oder Anforderungen entlastet wird. Diese Effekte treten oft unbewusst auf, was es für Betroffene schwer macht, sie zu erkennen oder zu ändern.

Mögliche Anzeichen von sekundärem Krankheitsgewinn
Der sekundäre Krankheitsgewinn kann sich in verschiedenen Formen äußern.
Mögliche Anzeichen von sekundärem Krankheitsgewinn:
- Mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung: Betroffene erfahren durch ihre Krankheit oft ein intensives Gefühl der Fürsorge von Familie und Freunden, was sonst vielleicht weniger ausgeprägt wäre.
- Entlastung von Verpflichtungen: Durch die Krankheit können Betroffene von bestimmten Pflichten wie Arbeit oder Haushalt entlastet werden, was als Erleichterung empfunden werden kann.
- Gefühl der Wichtigkeit und des Schutzes: Die Krankheit verleiht eine Art „besondere Rolle“, die einem das Gefühl gibt, geschützt und beachtet zu werden.
Was tun, wenn man sekundären Krankheitsgewinn bei sich selbst bemerkt?
Der Weg, sich aus der Dynamik des sekundären Krankheitsgewinns zu lösen, ist nicht einfach, da die zugrunde liegenden Bedürfnisse, nach Aufmerksamkeit, Schutz oder Entlastung, sehr echt und berechtigt sind.
Hier einige Schritte, die dir helfen können:
- Selbstreflexion und Akzeptanz: Der erste Schritt besteht darin, sich selbst einzugestehen, dass diese Dynamik existiert. Dies erfordert Mut und Ehrlichkeit. Frage dich: Welche Vorteile habe ich durch die Krankheit? Fühle ich mich vielleicht sicherer oder geliebter?
- Alternative Wege zur Bedürfnisbefriedigung suchen: Überlege, wie du die Bedürfnisse nach Nähe, Unterstützung und Zuwendung anders erfüllen kannst - zum Beispiel durch Freundschaften, Hobbys oder kleine Momente der Selbstfürsorge.
- Mit dem Umfeld sprechen: Offene Gespräche mit vertrauten Personen können helfen, Missverständnisse zu klären und Unterstützung auf andere, gesündere Weise zu erhalten. Das Umfeld kann dann achtsamer auf eure Beziehung achten und dich zu positiven Veränderungen ermutigen.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Ein Therapeut oder Coach kann dir helfen, die zugrunde liegenden Muster besser zu verstehen und neue Wege zu entwickeln, um dich von der Rolle des „kranken Menschen“ zu lösen.
- Schrittweise Verantwortung übernehmen: Versuche, Verantwortung für dein eigenes Wohlbefinden zu übernehmen und langsam aus der Krankheitsrolle herauszutreten. Kleine Schritte wie das Übernehmen kleinerer Aufgaben oder das Setzen von persönlichen Zielen können dabei helfen, wieder mehr Selbstvertrauen zu gewinnen.

Für Angehörige: Wie kann ich helfen, ohne den sekundären Krankheitsgewinn zu verstärken?
Falls du Angehöriger bist, der diese Dynamik bei einem geliebten Menschen bemerkt, ist dein Einfluss ebenfalls wertvoll. Unterstützung, ohne Überfürsorge zu bieten und eine offene, achtsame Kommunikation können helfen, dem Betroffenen alternative Wege zur Bedürfnisbefriedigung aufzuzeigen.
Wichtig ist, dass du deine eigenen Grenzen achtest und für dich selbst sorgst, damit die Beziehung gesund bleibt.
Fazit
Sekundärer Krankheitsgewinn ist ein sensibles Thema, und es braucht Zeit, um sich daraus zu lösen. Indem wir uns selbst mit Verständnis begegnen und aktiv nach gesunden Wegen suchen, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, können wir nach und nach die innere Stärke finden, die uns wirklich weiterbringt.
Krankheit darf nie die einzige Möglichkeit sein, das zu bekommen, was wir brauchen - denn wir sind mehr als unser Leid.